Süßwein das Gaumengold – Verwöhnprogramm für den Gaumen
Weinwissen
Oktober 26, 2016

Süßwein das Gaumengold – Verwöhnprogramm für den Gaumen

Die Tage im Herbst werden kürzer, die Blätter draußen bunter, das Sonnenlicht milder,  die Luft kühler, die Nebelbänke häufiger und der Gaumen sehnt sich nach anderen Aromen. Beispielsweise nach einem intensiven Süßwein aus Bordeaux.

Man entwickelt eine Sehnsucht nach Wärme, unsere Stimmung, das Empfinden und auch die Ernährungsweise ändern sich. Auch draußen in den Weinbergen von Bordeaux vollziehen sich in dieser Zeit große Veränderungen und einige Châteaux machen sich die genannten, klimatischen Gegebenheiten von Nutzen.

Botrytis Cinerea

Der Wechsel vom Herbstnebel und der Sonne begünstigt die Entwicklung der Edelfäulnis Botrytis Cinerea. Zum ersten Mal wurde dieses Phänomen im 17. Jahrhundert auf dem berühmten Château d’Yquem bemerkt. Sehr ungleichmäßig verbreitet sich die Edelfäulnis von Weinberg zu Weinberg, von Stock zu Stock. Selbst die einzelnen Beeren einer Traube sind unterschiedlich befallen. Der Pilz lässt die Traube eintrocknen und rosinieren. Diese wird dann in vielen Lesegängen individuell geerntet, erst dann, wenn jede einzelne Beere geschrumpft und genügend konzentriert ist. Die Menge, die beim Pressen aus den kleinen Keltern läuft, ist sehr gering und eine honigsüsse Essenz.

Bei der Vergärung…

lässt sich die Hefe viel Zeit, um aus dem hohen Zuckergehalt Alkohol zu machen. Dieser liegt bei mind. 11.5 – 12 % – je nach Appellation. Ist dieses Ziel erreicht, ist immer noch ein enormes Potential an unvergorener, schmeckbarer Süße übrig – welche uns eine tiefe Aromatik beschert und Weine ergibt, die für die Ewigkeit gemacht sind.

Genuss über Genuss

Gerne lässt man sich einfangen von der Sensation und der Komplexität dieser Weine. Ich nenne es gerne Schichten abtragen. Kaum, hat man einen Duft erfasst und wahrgenommen, drängt sich daneben ein anderer hervor. Aufgelöst, in goldener Flüssigkeit, findet man Aromen von  hochreifen und exotischen Früchten; Mango, Ananas, Orange, Mandarine, Passionsfrucht, Pfirsich und Nektarine. Dörrfruchtaromen, die an Apfel, Aprikose und Bananenchips erinnern. Hinzu kommt die weite Palette von Gewürzen, wie Vanille, Zimt, Jod, Safran, Bienenwachs, Nougat, Zedernholz, Honig, Butterscotch, Toast, Shortbread und Karamell. Ohne weiteres könnte man die Aufzählung noch weiter ausführen. Eingebettet sind die Aromen in ein Polster aus cremiger Süße, von einer mild schmeckenden Säure durchzogen. Und alles, was im Duft wahrgenommen werden konnte, scheint sich am Gaumen endlos zu wiederholen. 

Um Sauternes muss es sich hier handeln!

Das ist richtig. Der Sauternes zeigt all dies in perfekter Art und Weise. Daneben gibt es noch 9 weitere Appellationen, die Weine mit vergleichbarem Geschmacksprofil bieten.  An erster Stelle ist Barsac in direkter Nachbarschaft zu nennen. Sainte-Croix-du-Mont, Loupiac und Cadillac sollte man sich einprägen. Auch die 1ères Côtes de Bordeaux hat interessante Süßweine zu bieten. Interessant auch für den Geldbeutel! Nüchtern betrachtet viel zu günstig, bei den niedrigen Erträgen, der intensiven Handarbeit, der enormen Haltbarkeit und dem weiten Aromaspektrum, das man dafür geboten bekommt.  

Gelegenheiten des Genuss

Nun wissen wir aber auch, dass diese Art von Wein heute nicht mehr jeden Tag getrunken wird. Das war früher anders. Der tägliche Energiebedarf war höher und Süße hatte einen anderen Stellenwert. Zucker war alles andere als alltäglich, er war kostbar, Belohnung, Wohltat – besonders in dieser edlen Form. Nach wie vor ist es ein genüßliches Erlebnis, hochkonzentrierte Weine zu verkosten. Solche, die auch von Weinkritikern mit Höchstpunktzahlen bewertet werden. 

Wenn ihr auch in den Genuss des süßen Gaumengoldes kommen wollt, geht es hier zur Übersicht aller Süßweine aus der Selektion „100 Bordeaux zum Entdecken“. 

Über Lidwina Weh:

Lidwina Weh leitet heute eine Weinschule in der Schweiz und gibt als Tutorin der École du Vin de Bordeaux Kurse, Seminare und begleitet kulinarische Anlässe. Der Wein zog sich wie ein „roter Faden“ durch ihr Leben: In privat geführten Restaurants bis hin zur Luxushotellerie und Bars hat sie als Sommelière und Weinakademikerin Weine empfohlen und kombiniert, verkostet, eingekauft und entschieden, was auf die Getränkekarte kommt. Ihre Liebe zu Bordeaux-Wein entdeckte sie zum einen bei einer Raritätenprobe als Jung-Sommelière und bei ihrem Einblick in die Weinlese auf dem Château Mouton Rothschild. 

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